Rolf-Wilhelm Schlüter, Medical Officer von Kanna Medics im Interview mit der Zeitschrift Frauengesundheit & Onkologie

Therapie-Versuch und kein Therapie-Versprechen

Cannabis hat als therapeutisches Mittel weltweit an Bedeutung gewonnen. In der Schmerztherapie, Neurologie und Onkologie wird es zunehmend ein-gesetzt, um Symptome erfolgreich zu lindern.

Cannabis hat als therapeutisches Mittel weltweit an Bedeutung gewonnen. In der Schmerztherapie, Neurologie und Onkologie wird es zunehmend ein-gesetzt, um Symptome erfolgreich zu lindern.

Die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten beruhen vor allem auf den Wirkstoffen Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD), aber auch Terpene und andere Cannabinoide sind entscheidend für den Therapieeffekt. Ein bedeutender Anwendungsbereich von medizinischem Cannabis ist die Schmerztherapie.

Bei chronischen Schmerzen, die beispielsweise durch Multiple Sklerose, Rheuma oder Nervenschädigunge verursacht werden, hat sich Cannabis als wirksam gegen Schmerzen erwiesen. Gleichzeitig kann es die Lebensqualität der Betroffenen verbessern, ohne die starken Nebenwirkungen herkömmlicher Opioide zu verursachen.

Im Bereich der Onkologie wird Cannabis vor allem zur Linderung von Symptomen eingesetzt, die durch Krebs und dessen Behandlung verursacht werden. Dennoch wird es von Ärzten selten verschrieben.

Genau hier setzen die Online-Plattform Kanna Medics und Medical Officer Rolf-Wilhelm Schlüter an. Sie wollen betroffenen Menschen Hilfestellung geben.

Sie haben ärztlich onkologische Erfahrung und leiten eine Plattform für Cannabistherapie. Wie passen Cannabis und Onkologie zusammen?

In der Theorie passt beides gut zusam-men, da ein mögliches Wirkprofil von Cannabis genau auf die Probleme vieler onkologischer Patienten zugeschnitten scheint. Nehmen wir den Appetitverlust, die Chemotherapie-assoziierte Übelkeit oder auch eine depressive Stimmung.

In der Praxis kommt es bei den meisten Ärzten oder Krankenhäusern nicht zum Einsatz. Genau deshalb haben wir Kanna Medics gegründet. Eine Plattform mit Experten, die Menschen, die von einer Cannabistherapie profitieren könnten, eine professionelle Anlaufstelle bieten. Mit all den Dingen, die es rund um Medizinalcannabis zu bedenken gilt.

Warum kommt Cannabis nicht häufiger zum Einsatz?

Das hat sicherlich viele Gründe. Zum einen gibt es kaum zugelassene Indikatio-nen, sodass fast jede Verschreibung eine „Off-Label“-Therapie ist. Ärzte müssen sich immer rechtfertigen, wenn sie von Leitlinien abweichen. Sie wagen also lieber nichts Außergewöhnliches und machen durch ihr Verhalten auch nichts falsch.

Zum anderen ist es schlicht und ergreifend mangelnde Erfahrung. Medizinalcannabis steht nicht in den Lehrplänen deutscher Unikliniken und in Praxen oder Krankenhäusern wird es kaum angewendet. Es ist ein Teufelskreis, der dazu führt, dass es nicht viele Ärzte gibt, die wirklich fit sind in dem Thema.

Medical Officer Kanna Medics

Rolf-Wilhelm Schlüter

"Medizinalcannabis steht nicht in den Lehrplänen deutscher Unikliniken und in Praxen oder Krankenhäusern wird es kaum angewendet. Es ist ein Teufelskreis, der dazu führt, dass es nicht viele Ärzte gibt, die wirklich fit sind in dem Thema."

Wie dart man sich einen Einsatz von Cannabis in der Onkologie vorstellen?

Nach einer Krebsdiagnose ändert sich dein Leben abrupt. Du bist ein anderer Mensch als vorher. Jetzt kommt häufig eine belastende Immun- oder Chemotherapie dazu, die in der Lage ist, deine Lebensqualität massiv zu senken. Ich habe mehrfach erlebt, dass die Symptome dieser Chemotherapie durch eine medizinische Cannabistherapie erträglicher wurden.

Das führt auch dazu, dass man die Therapien mit weniger Unterbrechungen oder auch länger fortsetzen kann. Bestimmte Quellen berichten zusätzlich über einen angeblich antitumorösen Effekt von Cannabis. Ich denke, viele Dinge können in sogenannten Zellkulturen oder Mausmodellen gewisse Effekte erzielen. Mit diesen Annahmen und Informationen wäre ich trotzdem vorsichtig. Zumal es auch Daten gibt, die das Gegenteil zeigen. Mir sind zu viele Menschen begegnet, die schnell gestorben sind, weil sie all ihre Hoffnungen in neue Heilverfahren außerhalb von Kliniken gesteckt haben. Ich würde meinen Patienten niemals raten, Cannabis wegen einer möglichen antitumorösen Wirkung zu nehmen.

 

"Wenn die Lebensqualität eines Patienten eingeschränkt ist, kann eine Cannabistherapie dazu führen, die Lebensqualität zu steigern."

 

Wann empfehlen Sie denn eine Cannabistherapie?

Ich würde eher sagen, „Wann ist es einen Versuch wert?“ Wenn die Lebensqualität eines Patienten eingeschränkt ist, kann eine Cannabistherapie dazu führen, die Lebensqualität zu steigern. Dabei ist es immer ein Therapie Versuch und kein Therapie Versprechen. Es gibt wenig Gründe bei Patienten, die subjektiv stark belastende Symptome haben, diesen Therapieversuch nicht zu wagen. Wenn man mit dem Rücken zur Wand steht, öffnet sich so oft eine Tür. Für viele, nicht für alle, verbirgt sich hinter dieser Tür eine verbesserte Lebensqualität.

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